Gerd Rifeser hat uns verlassen. Wahrscheinlich sitzt er jetzt schon im Olymp und schmunzelt mit Shakespeare und Moliere über die Wirrungen des irdischen Lebens, steppt mit Gene Kelly über die Wolken, tauscht sich mit Turgenew über die schmerzhafte Last der ins Gebein kriechenden, unheilbaren Krankheit aus und spielt auf seiner Trompete „Mercy, Mercy, Mercy“ mit Cannonball Adderley.
Seine ganz eigene Art zu inszenieren hat das Schultheater am Gymnasium Zwiesel neu erschaffen, den Dorfplatz in Rabenstein und die Guntherbühne in Rinchnach erobert und dem kulturellen Leben bei uns in Buchenau mit dem Schlosstheater einen alljährlichen Höhepunkt beschert.
Aber es war nicht nur das Theater, das sein Wirken ausmachte, es war seine Persönlichkeit, seine Ausstrahlung, seine Art durchs Leben zu gehen. Gerd war für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, ein lebenslanges Korrektiv, wenn ich in die Freudlosigkeit des allzu Bürgerlichen abzudriften drohte. Er hat mich als jungen Menschen auf den Weg gebracht, verkörperte, wovon ich träumte, hat mich geprägt, wie kaum sonst jemand in meinem Leben.
Es sind so viele Momente, die in Erinnerung geblieben sind:
Eine waghalsige Schlittenfahrt über nächtliche Wiesen nach stundenlangen Gesprächen über Literatur, Musik, Kino, Philosophie.
Sein Lachen, sein zutiefst menschenfreundlicher Humor.
Die unvergleichliche Atmosphäre bei den Besuchen im renovierten Austragshaus in Zapfenried.
Die Auftritte der Marihuana Brass Band und seine legendären Steppeinlagen.
Der Abend bei uns zu Hause, an dem er plötzlich sagte „Dottore komm, ich muss mal etwas mit dir besprechen“. Entstanden sind daraus das Schlosstheater und Pasta&Comedia.
Die unzähligen Theaterproben, vor allem die allerletzte an einem warmen Spätsommertag Ende September 2020. Alles war noch einmal da: die fröhlichen jungen Menschen, die Pasta in der Pause, die Musik aus dem Ghettoblaster, der Enthusiasmus, am allergrößten wie immer bei Gerd selber, das gemeinsame Glas Veltliner zum Abschied.
Die knisternde Spannung kurz vor Beginn der Theatervorstellungen, wo er so streng sein konnte: „Roman, wo bist du denn, komm doch jetzt, wir wollen anfangen.“
Der tosende Beifall nach den Vorstellungen, wo ich immer Tränen in den Augen hatte, wenn die Zuschauer ihn feierten.
Das Telefonat, er werde den schulmedizinischen Kampf gegen die Erkrankung beenden und nur mehr lindernde Maßnahmen akzeptieren. Er wirkte erleichtert, beinahe heiter, während ich weinte, weil mir bewusst wurde, was unabänderlich kommen würde.
Es war mir vergönnt, Abschied von ihm zu nehmen in seinen letzten Tagen, wofür ich zutiefst dankbar bin. Es machte mich traurig, ihn dem Tode so nahe zu sehen und doch war ich getröstet, weil ihn die Aura eines Menschen umgab, der ein erfülltes Leben gelebt und verwirklicht hat, was in ihm angelegt war.
„Das gewährt die Philosophie: angesichts des Todes heiter und, in welcher körperlichen Verfassung man auch ist, tapfer und fröhlich zu sein und nicht aufzugeben, mag man auch am Ende sein“. Dieser Satz von Seneca beschreibt, wie er von uns gegangen ist.
Nicht nur mich, sondern so viele andere Menschen hat Gerd inspiriert und auf den Weg gebracht. Deshalb steht mein subjektives Erleben stellvertretend für all das, was ihn als Vorbild, als Menschenfreund und als Künstler ausmachte.
Sein Vermächtnis wird uns Verpflichtung sein, der Magie des Theaters im Schlossgarten weiterhin ihren Platz zu geben.
Es wird viele Anlässe geben, bei denen wir uns an ihn erinnern werden, weil sich im Schloss so vieles mit ihm verbindet. Die schmerzhaftesten und doch auch die schönsten Momente werden diejenigen sein, wenn die blaue Dämmerung langsam den Garten einhüllt und ein feenhafter Zauber über allem schwebt, bereit für den Auftritt, bereit für das Theater des Gerhard Riffeser.
Thanks for the dance, Gerd.