Die Kritik des Konzertes im Bayerwaldbote vom 17. Mai.
Piano Recital Věra Müllerová
Schloss Buchenau
Fantasien, Impromptus und Nocturnes und Uraufführungen – Klavierabend vom Feinsten
Věra Müllerová spielt im Schloss Buchenau
Buchenau: Das wunderschöne Schloss Buchenau, einstmals bekannt durch die Kochbuchautorin Erna Horn, ist in den letzten Jahren auch durch die Aktivitäten des Fördervereines zu einem Geheimtipp für hochkarätige Kulturveranstaltungen geworden. Der intime Saal mit seinem schönen Flügel von Rachals/Hamburg aus den 1920-er Jahren vermittelt das ideale Ambiente dafür.
Ein alter Klavierprofessor an der Münchner Musikhochschule schwärmte immer von den kleinen intimen Konzertsälen, die es vor dem letzten Krieg noch in München gab – in Buchenau gibt es das…
Wer am letzten Samstag den Weg dorthin gefunden hatte, durfte dann einen ganz besonderen Klavierabend erleben.
Die Pilsener Pianistin Věra Müllerová, die in Pilsen, Prag und Kiev studiert hat, ist nicht nur als eine exzellente Pianistin bekannt, sondern bildet in Pilsen selber Studenten aus.
Věra Müllerová hat sich denn für einen nicht alltäglichen Ort ein nicht alltägliches Programm ausgesucht.
Neben anspruchsvollen Stücken von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Fréderic Chopin waren Werke von drei zeitgenössischen Komponisten zu hören – teilweise hier zum ersten Mal als Uraufführung.
Zwei der Komponisten – Holmer Becker und Fréderic Bolli – waren sogar selber anwesend!
Die Solistin begann ihr Programm mit der sehr anspruchsvollen Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 des großen Thomaskantors Johann Sebastian Bach.
Seit dem letzten Krieg gab es vor allem in Deutschland unter Fachleuten erregte Diskussionen, ob man solche Musik überhaupt auf dem modernen Flügel spielen dürfe und wenn, dann wie. Noch in den 1960-er Jahren war es teilweise verpönt, Bach mit Pedal zu spielen!
Nun ist man vielleicht weiter. Věra Müllerová spielte dieses anspruchsvolle Werk mit allen Mitteln des heutigen Flügels sehr überzeugend, gut durchhörbar. Es ist immer wieder schön, dieses ob seiner Schwierigkeiten sehr selten gespielte Werk in einem Klavierabend zu hören.
Das „moderne“ Musik nicht immer fremdartig und keinesfalls abschreckend sein muss, bewiesen die beiden Impromptus von Holmer Becker (* 1955). Nicht erst seit Arvö Part oder Philipp Glas wird auch heutzutage durchaus tonal komponiert. Impromptus – seit Schubert und Chopin bekannt und schön in die heutige Zeit übersetzt. Für diese Uraufführungen darf man sehr dankbar sein. Holmer Becker stellte seine Werke kurz vor. Das erste Impromptus erinnerte ein bisschen an Johannes Brahms.
Wolfgang Amadeus Mozart ist auch heute immer wieder für Überraschungen gut. Seine Fantasie c-moll KV 475 wurde zusammen mit der Klaviersonate c-moll (ausser dieser schrieb Mozart nur noch eine Klaviersonate in moll – die bekanntere Sonate a-moll) 1785 veröffentlicht.
Das Autograph fand eine Bibliothekarin 1990 beim Staubwischen in Philadelphia.
Müllerová verstand es auf das Vortrefflichste, die verschiedenen Stimmungen, Tempowechsel und Tonartenwechsel herauszuarbeiten, ohne, dass dieses riesige Werk in seine Einzelteile zerfiel. Ganz großartiger Mozart phantastisch gespielt!
Vor der Pause erklangen noch drei Impromptus des 1961 geborenen Jiří Bezděk – gleichfalls als Uraufführung.
No. 1 Energico ist sehr bewegt mit viel Motorik, No. 2 Adagio war teilweise trotzdem bewegt. Ein charakteristisches Thema aus drei Tönen, welches immer wiederkehrt und eine teilweise an Claude Debussy erinnernde Klanglichkeit.
No. Molto vivo, was durch seine Akkordwiederholungen an Igor Stravinsky oder Belá Bartok erinnert.
Nach der Pause stellte sich noch Fréderic Bolli vor.
Er sei nicht nur in der französischen Schweiz geboren, sondern trüge auch noch denselben Vornamen wie sein berühmter Kollege Chopin.
Seine „Deux nocturnes“ sind denn auch von dem polnisch-französischen Großmeister beeinflusst – die Form des Impromptu wunderbar in die Gegenwart übertragen.
Die vier Impromptus von Fréderic Chopin sind – gut gespielt – in jedem Klavierabend eine Bereicherung!
So mitreißend gespielt wie von Věra Müllerová in Buchenau waren sie wohl selten zu hören.
Insbesondere das Impromptu No. 4 cis-moll op. 66, auch bekannt als „Fantasie-Impromptu“ konnte die Zuhörer vollends verzaubern und Ohrenzeugen einer einmaligen Interpretation werden lassen.
Als Zugabe hat sich die Solistin etwas ganz besonderes auserkoren: „Reflets Dan’s l’eau“, der erste Satz aus „Images“ des französischen Komponisten Claude Debussy (er hasste es immer, als „Impressionist“ bezeichnet zu werden). Sie zauberte noch einmal ganz tolle Klangfarben und Stimmungen auf dem Rachals-Flügel.
Beschluss eines in jeglicher Hinsicht herausragenden Konzertabends!
Wie wäre es, wenn sie nochmal in Buchenau auftreten würde – mit Chopin, Debussy und Ravel?
Aurel v. Bismarck